Bindungs-orientierte Erziehung

Als ich mich darüber wunderte, dass mich jemand für „anti-autoritär“ erziehend hielt
und darüber hinaus die Aussage im Raum stand,
ein Kleinkind müsse in einer Gruppe Gleichaltriger Sozialverhalten lernen,
schrieb ich zur Klärung und Differenzierung folgenden Text:

Ich kann mir nicht vorstellen, „anti“ – also gegen etwas oder jemanden zu erziehen. Mutter und Vater sind natürlicher Weise eine Autorität für das Kind (im positiven Sinne). Ich würde dann ja gegen mich selbst erziehen und das wäre sicher hinderlich. Ein Kind, das im Ozean seines aufkommenden Willens „allein“ gelassen wird, ist maßlos überfordert und erlebt keine Geborgenheit. Es braucht Begrenzungen. Das fängt ja schon mit dem Gitterbett oder dem Tragetuch an, handfeste Sicherheit (noch unabhängig vom Willen).

Eine ganz grundlegende Sicherheit – und auch Begrenzung im ganzheitlichen Sinneist die Bindung zur Mutter und dann auch zum Vater. Wir erziehen Bindungs-orientiert. Bindung im Sinne einer verlässlichen Liebesbeziehung. Innerhalb dieser Liebesbeziehung entwickelt sich ein Kind scheinbar wie von selbst. Das Gras wächst nicht, indem man dran zieht, sondern weil es Wasser, Licht und Wärme bekommt. So ähnlich ist die Mutter(Vater)-Kind-Bindung eine Grundlage für ein optimales Gedeihen. Hier entwickeln sich alle Fähigkeiten: wie z.B. die körperlichen, sprachlichen und auch die sozialen Fähigkeiten. Empathie, Mitgefühl und Liebesfähigkeit reifen in den ersten 6-7 Jahren heran. Dann ist die Grundlage gelegt.

Da wir das aufgrund von Lebenserfahrung, Prägung und Mit-Empfinden so sehen, käme für uns keine Fremdbetreuung für unsere Tochter in Frage. Auf keinen Fall unter 4 Jahren. Schon die Schwelle ab 3 Jahren in den Kindergarten zu gehen, habe ich als Erzieherin immer als zu früh empfunden, was ich bei zweien meiner eigenen Kinder bestätigt gefunden habe.

Ein Säugling braucht lückenlos seine Mutter, ein Kleinkind braucht lückenlos seine Eltern. Durch tagtägliche Trennungen und Betreuung durch fremde Personen entstehen Bindungsstörungen, ein Dauergefühl von Mangel und Streben nach Ersatz – übrigens auf beiden Seiten bei Kind und Mutter!  Ich habe als Betreuungsperson kein einziges Kind erlebt, das nicht unter den ständigen Trennungen gelitten hätte und im Entfalten seines Potentials gehemmt war. Leider. Hier entstehen durch unsere neumodische „Kinder-weg-gebe-Kultur“  viele neue Probleme, die wir in dieser Intensität nie zuvor hatten. Ich habe das alles noch gelinde ausgedrückt, was eigentlich eine ganz ganz gewaltige Katastrophe ist.

Liebe und Empathiefähigkeit werden gerade durch diese „Anti-Kultur“ (oder wie soll man diese Erscheinung nennen?) zunichte gemacht. Davon wird es in kommenden Generationen immer weniger geben – wenn Kinder vor ihrer entsprechenden Reife von ihren Müttern getrennt werden also lange bevor sie es selber wünschen können. Die besten Eingewöhnungen, die liebevollsten Bemühungen ums Kind und auch die Anwesenheit der gleichaltrigen Leidensgenossen ändert nichts daran, dass Kinder heutzutage viele Stunden ihres Tagesalso die Kernzeitenohne ihre erste große Liebe auskommen müssen, sich ohne sie arrangieren müssen. Manche schaffen das ganz gut, fallen nicht auf, leiden still... andere entwickeln zumindest Ellbogen oder gar Auffälligkeiten manche sogar regelrechte Pathologien…habe da viel erlebt…

So nun noch mal zu mir:
Auf dieser Grundlage der Bindungs-orientierten Erziehung (ist keine Lehre nach Pädagoge XY sondern mein Ding :-) und ist ungefähr so alt wie die Menschheit),  halten wir auch die Gruppenerziehung in (großen) Gleichaltrigen-Gruppen nicht für das Eigentliche. Die Natur hat es beim Menschen so eingerichtet, dass Geschwister immer einen gewissen Altersabstand haben. Zwillinge sind eher selten, die meisten Menschen werden ohne Zwilling geboren. Wenn man die Familie als die  natürlichste Daseinsform sieht, ist das Zusammenfassen mit fremden Gleichaltrigen wider-natürlich. Was das Sozialverhalten angeht, wird meiner Meinung nach in solch einer Umgebung aus dem Potential geschöpft, was schon da ist – durch die Bindungen zu Hauseund nicht wirklich etwas hinzugelernt. Es ist eine Möglichkeit Erlerntes anzuwenden. Ich sehe  bei unserer Tochter, dass sie ohne Angst mitten in einen Gruppenraum reingeht, sich bedenkenlos nimmt, was sie möchte. Das entspricht ihrem Alter und ihrem Reifegrad von z.Z. 2 Jahren. Ich bin froh über ihren Mut… Das mit dem Bewusstsein von Gut und Böse, dem Gewissen und der Empathiefähigikeit kommt später dran. Dazu möchte ich sie jetzt nicht dressieren. Ich möchte, dass sie das wirklich aus dem tiefsten Inneren heraus lernt wenn die Zeit dafür reif ist. Echte Reifeentwicklung funktioniert nicht auf der Grundlage von Angst und „so benimmt man sich eben“.  Angst entsteht, wenn man einem Kind etwas abverlangt oder ein emotionales Urteil spüren lässt, ohne dass es das von seiner Reife her nachvollziehen kann.
Kleinkinder müssen noch nicht miteinander auskommen können. Sie gehören immer noch ausschließlich in ihre Familie. (zu der im Idealfall auch Geschwister gehören können) Genau dort und nur dort erfährt unsere Tochter auch Grenzen, so dass sie nicht uneingeschränkt machen kann, was sie will. Unsere Familie ist keine Kinderdiktatur, sondern der natürliche Rahmen, in den unsere Tochter sich einordnen muss. Es ist ein Rahmen der Geborgenheit und Liebe eben ein zu Hause.

Die Erziehung eines Kleinkindes ist eine sensible Angelegenheit und gehört in die Hände der Menschen, die es von Natur aus bedingungslos lieben. Mutter und Vater sind diejenigen, die wirklich herausspüren können, was wann wie gehandhabt werden soll und warum.

Im Kindergartenalter machen Kinder die ersten Schritte nach außerhalb, wo sie es auch erst wirklich selber nachvollziehen und sich wünschen können.  Aufgrund gewisser Erfahrungen mit meinen Söhnen zweifle ich sogar die Notwendigkeit der Kindergartenerziehung an. Die Ausbildung von sozialer Reife entwickelt sich innerhalb der familiären Bindungen –und diese Reifeentwicklung ist im Kindergartenalter noch  mittendrin… also nicht abgeschlossen!  Auch die Grundlage für kognitive Bildung ist immer BiNdung. Demnach wäre ein Aufenthalt in einer lärmenden Groß-Gruppe mit einer fremden erwachsenen Person Zeitverschwendung….

Ich entspreche mit meiner Haltung nicht dem Mainstream. Ich achte die Erfahrungen meiner Vor-Mütter  aber auch meine eigenen Lebenserfahrungen. Aufgrund dieser meiner Erfahrungen kann ich das Erbe meiner Großmütter, Mutter und Schwiegermutter antreten. Sie haben ihre Kinder bis zum Eintritt in die Schule überwiegend selbst erzogen und zweifelsfrei gute Ergebnisse erzielt.

Es entspricht unserem Zeitgeist bzw. erfolgreich verbreiteter Propaganda, dass man nun glaubt, Erziehung in immer jüngeren Jahren der Kinder! sei nur außerhalb der Familie erst „richtig rund“ oder gar erst möglich. Das ist eine gefährliche Fehlentwicklung. Wir lassen uns nicht ent-Eltern. Wir bleiben die wichtigsten Personen für unsere Kinder solange sie klein sind und solange bis sie selber über ihre „Wichtigkeiten“ entscheiden möchten.


Ille Bläse, Mutter · Erzieherin · Tagesmutter
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